Was machst du eigentlich in deiner Doktorarbeit? Warum gehst du dafür nach Kalifornien? Wen interessiert das eigentlich? Und dafür wird man bezahlt? – Alles Fragen, die mir so oder ähnlich mal gestellt wurden. Die beiden letzten kann ich sehr schnell mit „vorallem mich“ und „ja“ beantworten, für den Rest werde ich etwas weiter ausholen. Es wird in diesem Beitrag mal nur um Wissenschaft gehen (dafür verschone ich euch ja in den meisten anderen Artikeln davon).
Was machst du eigentlich in deiner Doktorarbeit?
Fangen wir mal grundlegend an. Ich arbeite mit einem kleinen Pflänzchen namens Arabidopsis thaliana oder zu deutsch auch Ackerschmalwand. Für die meisten ist es ein unscheinbares Unkraut, aber für Forscher ist es eine ganz entscheidende Pflanze. Das liegt nicht daran, dass sie sonderlich schön ist oder evtl. irgendwelchen Nutzen hat, es liegt einfach daran, dass diese Art gewisse Eigenschaften hat, die sie für Forscher besonders geeignet machen. Genau wie beispielsweise Fruchtfliegen (gerade Drosophila melanogaster) und die Hausmaus (Mus musculus) lässt sie sich relativ einfach halten und hat eine kurze Generationszeit. Was unterscheidet A. thaliana von den beiden anderen? Richtig, es ist eine Pflanze 🙂 Solche Modellorganismen sind wichtig für die Grundlagenforschung. Man kann an ihnen wichtige Erkenntnisse gewinnen, wie Organismen funktionieren und diese dann evtl. auf andere Arten übertragen. So hat man aus diesen drei Labortieren beispielsweise Erkenntnisse gewonnen, wie aus einer befruchteten Eizelle später komplexe Organismen werden, wie Krebs funktioniert oder wie Pflanzen ihren Blühzeitpunkt steuern. Niemand käme auf die Idee, Vererbungsstudien mit Mammutbäumen oder Riesenschildkröten zu beginnen, am Anfang von solchen Erkenntnissen steht immer ein Modellorganismus. A. thaliana ist beispielsweise relativ (im evolutionären Zusammenhang sind das immer noch Millionen von Jahren) nah mit Raps und Kohl verwandt, also sind da direkte Anwendungsgebiete der Erkenntnisse. Aber wenn ich ehrlich bin, interessieren mich diese Anwendungen nicht großartig. Für mich ist es nicht interessant, aus den Ergebnissen Geld zu machen, sondern einfach nur zu verstehen, wie die Natur um uns funktioniert und zu dem geworden ist, was sich heute zeigt (Evolution).
Auch für Evolutionsforscher ist der Ackerschmalwand ein beliebter Organismus. Zum einen liegt das daran, dass man schön eine Verbindung schlagen kann zu den Laborforschern, die damit arbeiten, zum anderen ist die Art über einen Großteil der Nordhalbkugel verbreitet . Da zwischen dem Polarkreis, Tibet und Nordafrika ziemlich unterschiedliche Klimabedingungen herrschen, muss die Art also für einiges gewappnet sein. So eine Pflanze steht ja nun mal ihr ganzes Leben an einem Fleck. Sie kann sich nicht mal schnell unterstellen, sich eine Jacke überwerfen, die Klimaanlage erfinden (wer weiß, vielleicht irgendwann mal) oder einfach in ein angenehmeres Klima (z.B. Kalifornien 😉 ) ziehen. In der Art muss es also genügend Variationen geben, um mit Hitze, Kälte, verschiedenen Tageslängen und Schädlingen umzugehen. Denn schließlich ist das Ziel eines jeden Individuums das gleiche: so lange leben, bis man sich vermehren kann, damit die eigene genetische Linie nicht ausstirbt.
In meiner Doktorarbeit geht es nun darum, die Spuren der Evolution im Genom (das ist grob die Gesamtheit aller Gene) von A. thaliana nachzuweisen. Das ist möglich, indem Pflanzen bzw. deren Samen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet (einschließlich meinem neuen Lieblingsnationalpark, siehe Karte) gesammelt wurden (das habe natürlich nicht ich selber gemacht). Dann kann man diese Samen erstmal im Gewächshaus aussäen und wird äußerlich deutliche Unterschiede bemerken. Mir geht es nun aber um die inneren Werte. Also „entschlüsselt man das Erbgut“ (wie die Tagesschau sagen würde) all dieser Individuen. Ich sage eher, man sequenziert die Genome. Wenn man dann die genetischen Informationen hat, kann man die einzelnen Individuen vergleichen und so Variationen erkennen, die durch Mutation entstanden sind. Die meisten Variationen haben entweder keine Auswirkungen auf die Pflanze oder sogar leicht nachteilige, weil sie was kaputt machen. In manchen Fällen und untergewissen Umweltbedingungen können solche Varianten aber auch von Vorteil sein (daraus können dann sog. „selective sweeps“ entstehen). In Afrika, wo der Mensch ursprünglich her kommt, wäre mangelnde Pigmentiertung (=“weiße Haut“) ziemlich schlecht. Als die Menschen vor etwa 30-50 Tausend Jahren nun aber Afrika verlassen haben, hatten diejenigen mit einer Wenig-Pigmentierung-Mutation nun aber einen deutlichen Vorteil: sie bekamen auch im lichtarmen Norden genügend Sonnenstrahlen ab, um im Körper Vitamin D zu bilden. Wenn Afrikaner (ist das eine politisch korrekte Bezeichnung?) heute längere Zeit in Nordeuropa leben, müssen sie beispielsweise of Vitamin D-Präparate nehmen.
Für mich geht es genau darum, solche Mutationen wie die Pigmentierung, also Mutationen die in gewissen Umgebungen einen Vorteil bringen, im Ackerschmalwand zu finden. Es gibt nun aber tausende von Genen und Millionen von durch Mutationen entstandene Varianten, also ist das eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Um mit solch großen Datenmengen in der Biologie umzugehen, wurde nun die Bioinformatik (also mein ehemaliges Studienfach) geboren. Es gibt verschiedene statistische Verfahren, um der Evolution da auf die Schliche zu kommen, denn die Evolution hat nun schonmal in den letzten Jahr(-zehnten bis -millionen) stattgefunden, wir sehen aber nur den Jetzt-Zustand. Die letzten zwei Jahre habe ich nun damit verbracht, an diesen statistischen Verfahren etwas zu arbeiten und sie dann auf die Daten von A. thaliana-Individuen anzuwenden. Mein Erfolg war dabei so mittel, also ich habe ein bisschen was gefunden, konnte es aber nicht so richtig auf einzelne Gene runterbrechen.
Der nächste Schritt ist daher, nicht mehr auf das gesamte Verbreitungsgebiet, sondern auf eine eher reionale Skala zu schauen: Wir haben Pflanzen aus Südtirol (gesammelt von Christian, Karl, Benedikt und Jörg Wunder), welche aus dem Tal (wenige hundert Meter über NN) und welche von den Gebirgszügen (über 2000m). Durch die Höhe über NN hat man nun direkt ein klimatisches Gefälle an dem man lokale Anpassung der Pflanzen sehen sollte. Also je höher man kommt, umso häufiger sollten Genvarianten werden, die vorteilhaft sind in kalten Regionen mit längeren Wintern, aber beispielsweise auch höherer UV-Strahlung.
Warum gehst du dafür nach Kalifornien?
Das hat zwei Gründe. Erstens verlangt die Volkswagenstiftung (von denen bekomme ich das Geld für meine Forschung), dass ich im Rahmen meiner DrArbeit 3-6 Monate im Ausland forsche. Das hat das Ziel, dass man in neuer Umgebung mit neuen Kollegen eben ein paar andere Ideen bekommen und neue Dinge lernt. Dazu kommt natürlich die Persönlichkeitsentwicklung, die man durch einen Auslandsaufenthalt erreicht. Das ist nun aber kein Grund, warum ich nicht in die Schweiz oder nach Bayern (haha, wie lustig) gegangen bin. Ich durfte mir selber aussuchen, wo ich hin will, natürlich unter der Bedingung, dass mich mein Gastgeber auch will. Ich bin also einfach die Namen von Forschern durchgegangen, deren Arbeit ich thematisch interessant oder hilfreich fand. Am Ende standen dann Davis, Chicago und Aarhus auf der Liste. Und irgendwie habe ich mich dann halt für Davis entschieden. Im Gegensatz zu den ganz großen Unis wie z.B. Harvard, Standford oder Yale ist die UC Davis sogar „nur“ eine staatliche Uni. Dennoch ist die Forschung in meinem Bereich deutlich besser ausgestattet (haupsächlich was „Köpfe“ betrifft) als Hohenheim und auch fast jede andere Uni in Deutschland. Ganz aktuell hat das Times Higher Education Magazin die UC Davis auf Platz 38 der Unis weltweit eingeordnet, die beste deutsche Uni (LMU München) kommt auf Platz 45.
Aber es gibt natürlich auch noch genau das woran und womit ich hier arbeite. Da sind also diese A. thalianas aus Südtirol mit ihrem Höhengradienten. Genau für solche Fälle wurden hier in Davis Methoden entwickelt, um nun genau die Varianten zu suchen, die für die Anpassung verantwortlich sind bzw waren. Man muss nämlich dabei einiges beachten. So sind Pflanzen, die sich geographisch näher stehen, sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch genetisch näher. Das kann dazu führen, dass man fälschlicherweise zu viele Mutationen als anpassungsrelevant identifiziert, weil fast alle Mutationen ihre Häufigkeit vom Tal auf den Berg ändern. Ein zweites Problem ist die Stichprobe. Jeder kennt ja das Wort „repräsentativ“ aus Meinungsumfragen. Dabei werden einfach so viele Leute gefragt, bis die erwartete Abweichung von der Stimmung des gesamten Volkes minimal wird. Das sind meist so 1000-2000 Personen. Genau das gleiche Problen hat man mit biologischen Stichproben auch: man sammelt ein paar Individuen, aber eben nicht alle. Man will aber eine Aussage über alle möglichen Individuen treffen. Biologische Stichproben umfassen meistens so 10-50 Individuen, also deutlich weniger als bei Umfragen und daher kann man sich auch deutlicher verschätzen, wenn man eine Aussage über das „wahre“ Bild treffen will. Ich bin hier also dabei genau diese Fehlerquellen so gut es geht in die Analyse einzubeziehen. Am Ende steht dann idealerweise die Identifikation genau der Gene, die den Pflänzchen in Südtirol ihre Anpassung erlauben.
Warum schreibst du gerade jetzt darüber?
Letzte Woche ist ein Artikel mit meinem Namen drauf in der Druckausgabe von Nature Genetics erschienen. Darin sind ein Großteil meiner Ergebnisse der letzten zwei Jahre enthalten. Grundsätzlich freuen sich Wissenschaftler wahnsinnig, wenn Artikel von ihnen erscheinen, weil es dann für alle sichtbar wird, was man so gemacht hat. Auch wenn täglich tausende solcher Artikel erscheinen, ist das für den Einzelnen immer ein super Triumph, wie etwa für den hier (danke an Yaniv für das Video):
Dieser Artikel ist nun aber etwas besonderes (natürlich sage ich sowas als Autor). Zuerst ist Nature Genetics die weltweit wichtigste Zeitschrift auf dem Gebiet der Genetik, dort werden also nur wirklich wichtige Erkenntnisse veröffentlicht. Es gibt noch ein paar Zeitschriften für alle Naturwissenschaften (Science, Nature), die etwas höher angesehen sind, aber soweit ist das ganz cool. Der Artikel war der Uni Hohenheim sogar eine Pressemeldung wert und demnächst wird an der Uni sogar eine kleine „Feier“ deshalb veranstaltet (an der ich offensichtlich nicht teilnehmen kann).
Weshalb das ganze Tara? Genau dieser Artikel beschäftigt sich mit ein paar Dingen, die ich oben beschrieben habe. Es wurden nämlich das Genom von 80 A. thaliana Individuen entschlüsselt und die wichtigste wissenschaftliche Nachricht ist, dass genau diese Daten für alle Wissenschaftler nun verfügbar sind. Man kann also einen Einblick bekommen, welche Arten von Variationen innerhalb einer Pflanzenart herrschen. Und genau auf Grundlage dieser Daten können Wissenschaftler auf der ganzen Welt Fragen beantworten, die mir nie in den Kopf kommen würden.
Für den Artikel selber habe ich nicht die Sequenzierungen gemacht (weil man jede Menge Geld braucht, um sowas auf die Beine zu stellen), sondern ich habe die Daten am Ende analysiert, genau um eben (siehe oben) die Spuren der Evolution zu finden. Die Pressemitteilung klingt so, als hätten wir dabei super tolle Sachen gefunden. Wie schon erwähnt, habe ich aber nach eigenem Empfinden noch nicht so richtig Gene gefunden, die für Anpassungsvorgänge verantwortlich sind, ich befinde mich da noch auf dem Weg. Aber für eine Pressemitteilung muss man die Realität etwas beschönigen. Ich finde wirklich, dass dieser Datensatz eine super Grundlage für viele mögliche Fragestellungen ist. Und genau als solches Werkzeug ist dieser Artikel wichtig. Bei der Beantwortung von Fragen befinden wir/ich/alle uns erst am Anfang des Weges und da werden noch viele deutlich klügere Köpfe dran arbeiten.
Ich gratuliere allen, die bis zum Schluss gelesen haben 😉
Glückwunsch zur Veröffentlichung und danke für die kurze Erklärung für was du da eigentlich irgendwann mal nen Dr. willst. 🙂
Wieso nutzt man eigentlich nicht noch mehr Pflanzen um so die Fehler zu minimieren? Ist das wirklich so teuer? Wenn bei 80 Pflanzen auch nur bei einer ein Superman-Gen entdeckt würde, wäre das ja im Umkehrschluss bei über 1% der gesamten Art zu finden … uiuiui
Hey Schorsch, schön mal wieder was von dir zu hören. Also heute bezahlst du so (je nach Technik und gewünschter Qualität) 500-1000 Euro für das Genom eines Individuums. Die 80 wurden aber im Prinzip vor 3 Jahren sequenziert, deshalb kann man das nochmal so um den Faktor 10 erhöhen. Das war also schon was deutlich sechsstelliges.
Hi Torsten, ja Martin und Marcus stolpern ja hier immernoch rum … aber du wolltest ja unbedingt weit weg ;)… Wieso wird sowas nicht mal billiger? Spart das wirklich Geld wenn man dich dann 3 Jahre lang Statistischefehler beheben lässt anstatt dafür nochmal 50 Dinger zu „entschlüsseln“? 🙂
Also in der Tat wird es vermutlich in den nächsten 2 Jahren irgendwann über 1000 Individuen aus der ganzen Welt geben. Die Verfahren werden also immer billiger und die Stichproben werden größer. Dennoch will man immer noch größere Stichproben, weil man nur so zuverlässig das statistische Rauschen eliminieren kann. Um Krankheitsgene in Menschen zu suchen, werden mittlerweile über 10000 Personen gescreent. Das kostet natürlich deutlich mehr Geld, als wenn sich ein paar Leute mal hinsetzen und sich über die Analysemethoden Gedanken machen.
Glückwunsch auch von mir!
Ich habs komplett gelesen, aber, zugegeben, in zwei Etappen ^^
danke 🙂
Glückwunsch Torsten, liest sich für mich deutlich interessanter als 50% des Spiegels. Und sei mal nicht so bescheiden. Sheldon hätte das anders dargestellt.
Sheldon hätte gar nicht erst zugelassen, dass andere Autoren mit drauf stehen.
Interssanter als 50% des gesamten Spiegels oder nur des Wissenschaftteils? Ich frage mich gerade, ob ich je mehr als 50% des Spiegels gelesen habe.
Ne, den wissenschaftsteil mag ich. Ich und vor allem meine Aufmerksamkeit haben eher Probleme mit fünfseitigen Abhandlungen über bundestagsabgeordnete, die nicht zu den drei gehören, die ich als politisch interessierter Leser zusammenbekomme.
Achja, ist das von dir eigentlich bewusst eingestellt, dass man Kommentare hier „publiziert“ statt zu „senden“?
Vergiss es. Scheint am Handy zu liegen, hier im Browser steht Kommentar absenden.
OK, also mein Artikel ist besser als die 50% des Spiegels, die eh langweilig sind … Ähm, danke! 😉